header PG Joseba

Predigt zum Patrozinium St. Sebastian

Zumutungen

Liebe Schwestern und Brüder,

am Dienstag bei meinem Dienstantrittsgespräch fragte mich unser Pfarrer, ob ich nicht gleich heute zum Patrozinium unserer Kirche über den heiligen Sebastian predigen, ein Glaubenszeugnis abgeben wolle. Allso mal ganz ehrlich, unter uns gesagt: Das ist doch eine ziemliche Zumutung, finden Sie nicht?

Am Abend erzählte ich davon meiner baldigen Ehefrau und sie sagte: Sebastian? Das ist doch der Heilige mit den vielen Pfeilen. Was hat der denn so gemacht? Ja, antworte ich, der mit den Pfeilen. Der hat… Ja, was hat der denn gemachte, dachte ich so bei mir. Wie hat der denn gelebt? Und woher soll ich das wissen? Schon wieder so eine Zumutung.

Ich gebe zu, ich musste mich selbst erst einmal einlesen, um herauszufinden, dass Sebastian ein Soldat der römischen Elitetruppe der Prätorianer war, die dem Kaiser als Leibgarde diente. Ich stelle mir vor, dass er heute wohl Personenschützer des Bundespräsidenten oder der Kanzlerin wäre - und zwar in Uniform. Nur, dass weder Frank-Walter Steinmeier noch Angela Merkel heute Christenverfolger sind, wie seinerzeit Kaiser Diokletian.

Sebastian verheimlichte also seinen Glauben, nutzte aber seine Stellung als Hauptmann, um Christen in den Gefängnissen Roms zu besuchen, sie im Glauben zu bestärken und sich wohl auch um Ihre Bestattung zu kümmern. Als der Kaiser aber erfuhr, dass Sebastian ein Christ war, verurteilte er ihn zum Tode und es geschah das, was uns heute an vielen Figuren des Heiligen gezeigt wird. Er wurde durch Pfeil und Bogen hingerichtet. Als aber eine Witwe namens Irene sich um seine Bestattung kümmern wollte, stellte sie fest, dass Sebastian überlebt hatte und pflegte ihn gesund. Kaum genesen, trat der Soldat wieder vor den Kaiser und bezichtigte ihn seiner schändlichen Taten als Christenverfolger. Der Kaiser ließ sich das natürlich nicht gefallen und ließ Sebastian kurzerhand vor seinen Augen erschlagen, um ihn dann in einem Abflusskanal, der Cloaca Maxima, entsorgen zu lassen. Was für eine Zumutung für den heiligen Märtyrer.

Aber man mutet Sebastian noch viel mehr zu, nämlich zahlreiche Patronate. So ist er Patron der Städte San Sebastian im Baskenland und auf der Insel Gomera, Palma de Mallorca und Rio de Janeiro. Es ist Patron der Brunnen, der Sterbenden, der Armbrust- und Bogenschützen, der Schützengilden und Soldaten, Kriegsinvaliden, Eisen- und Zinngießer, Steinmetze, Büchsenmacher, Bürstenbinder, Gerber, Töpfer, Waldarbeiter und Gärtner, Leichenträger, gegen Pest und Seuchen, Geschwüre und Infektionen, gegen Wunden im Allegmeinen und für kranke Kinder, der Sportler und gegen Aids.

Liebe Schwestern und Brüder,

uns wird in diesen Tagen auch einiges zugemutet. Und zu keiner Zeiten täten wir wohl besser daran, uns an den hl. Sebastian zu erinnern, als jetzt. Denn als Seuchenheiliger schlägt jetzt seine große Stunde. Und wie wurde er zum Seuchenheiligen? Nun, früher dachte man, dass der „Schwarze Tod“ die Menschen genau so wahllos träfe, wie wenn ein Gott oder der „Pestengel“ völlig willkürlich vergiftete Pfeile auf die Menschen schoss - und Sebastian war einer, der mit Pfeilen hingerichtet werden sollte, der aber überlebte.

Ergeht es uns mit COVID-19 nicht ähnlich - haben wir nicht auch den Eindruck, dass das Virus wahllos um sich greift? Diese Seuche ist eine Zumutung.

Aber ich möchte auch noch auf eine andere, eine religiöse Perspektive hinaus und frage mich, warum er auch Patron der Sportler ist. Ich wundere mich ja manchmal, was es in unserer Kirche nicht alles gibt, z. B. den Katholischen Atlethenverband - und dessen Präsident sieht eine wichtige Übereinstimmung zwischen Sport und Christentum: das Leiden. Er sagt, viele Sportler bezögen sich auf Sebastian und sagten sich: „Wenn der das aushalten kann, dann kann ich auch noch einen Schritt weiter gehen, die Messlatte noch ein bisserl höher legen, das gewicht erhöhen, eine Runde weiter laufen...“ Sportler muten sich manchmal ganz schön viel zu. Und ich frage mich, ich frage Sie, ich frage uns:

Wann und wo muten wir uns etwas zu?

Und ich meine das durchaus positiv, denn im Wort „Zumutung“ steckt doch der „MUT“ schon drin. Ja, wir brauchen wahrscheinlich Mut, viel Mut, um in der heutigen zeit, in dieser Kirche, die nun einmal so ist, wie sie gerade ist, den Mut zu haben, zeugnis zu geben, Rechenschaft abzuliefern, für unseren Glauben einzustehen und ihn zu leben. Sebastian hatte diesen Mut anfangs übrigens auch nicht, wir erinnern uns? Er verheimlichte seinen Glauben, wirkte erst im Verborgenen, besuchte inhaftierte Christen im Gefängnis, bervor er den Mujt hatte, sich vor dem Kaiser zu „outen“.

Wo outen wir uns als Christen?

Wann besuchen wir Menschen im Gefängnis?

Wann muten wir uns zu, Obdachlose zu beherbergen?

Wann gehen wir einen Schritt weiter und bekleiden Nackte oder geben Hungernden und Dürstenden zu essen oder zu trinken?

Wann stehen wir, wie der junge Samuel heute in der Lesung, einmal, zweimal, dreimal in der Nacht auf, um einen Ruf zu folgen? Weil uns vielleicht jemand anruft, der unsere Hilfe braucht, Ihre Hilfe, meine Hilfe.

Wem könnten wir, Sie, ich in diesen Tagen anrufen, weil wir wissen, da ist jemand einsam in diesen Corona-Zeiten? Da braucht jemand Hilfe und Unterstützung beim Einkauf oder bei der Online-Vereinbarung eines Impftermins?

Ich hätte da einen Wunsch: Diese Kerze habe ich anlässlich meiner Diakonenweihe vor 15 Jahren erhalten. Sie trägt die beiden ersten Worte meines Weihespruchs aus dem 1. Petrusbrief (3,15): parati semper - Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.

Mein Wunsch ist, dass wir alle, die wir hier versammelt sind, uns diesen Auftrag zu Herzen nehmen, Zeugnis geben, Rede und Antwort stehen über unseren Glauben und für unseren Glauben - wie Sebastian, wie Irene, wie Samuel, wie all die vielen Propehten und Märtyrer. Dafür soll diese Kerze heute brennen.

Liebe Schwestern und Brüder,

unser Glaube ist manchmal auch eine einzige Zumutung. Weil Gott uns etwas zutraut.

Weil wir uns etwas zumuten dürfen. Und das ist auch gut so. Seien wir mutig.

Amen.

von Frank Greubel 


­