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Predigt zur Osternacht 2021

Der Stein ist weg!

„Wer könnte uns den Stein wegwälzen?“ – Das ist die Sorge der Frauen auf dem Weg zum Grab Jesu.

Wer könnte uns den Stein wegwälzen? – Da klingen die Fragen vieler Menschen mit. Wie viele Steine liegen Menschen auf dem Herzen! Wie viele Wege in die Zukunft erscheinen versperrt! – Enttäuschte oder gar zerbrochene Beziehungen, verpasste oder nicht genutzte Chancen, misslungene Versuche im Berufsleben, erschreckende Diagnosen von Krankheit und Tod, Schmerzen und Leid ... Die Coronaepidemie mit allen Unsicherheiten, Ungewissheiten, mit den Einschränkungen, Kontaktverlusten ... das alles lastet auf uns Menschen wie schwere Steine, die die Zukunft verbauen.

Wer könnte uns den Stein wegwälzen? – Das ist die Frage der Frauen, die unterwegs sind zum Grab. – Das sind wir doch alle! Diese Realität lässt sich auch an Ostern – heute – nicht verleugnen. Wir alle sind unterwegs zum Grab. – Halten wir den vielen Fragen stand?

Keine billige Vertröstung, nicht so tun, als ob das alles nicht so schlimm sei.– So höre ich es oft, so möchte ich es auch selbst betonen. – Doch, es ist schlimm! Es ist schlimm, dass wir unterwegs sind auf dem Weg zum Grab! Es ist schlimm, wenn Beziehungen zerbrechen! Es ist schlimm, wenn Menschen zur Unzeit sterben! Viel zu früh! Viel zu jung! Viel zu schrecklich! – Wir wollen das nicht schön reden und nicht schön reden lassen!

Und dennoch: Heute habe ich eine andere Botschaft zu verkünden. Nicht weil ich sie mir ausgedacht habe. Nicht weil ich sie mir selbst gerne einreden würde oder einreden lasse: „Jesus lebt. Er ist auferstanden!“

Die Frauen auf dem Weg zum Grab Jesu haben sich diese Botschaft nicht ausgedacht. Sie waren bestürzt darüber, dass der Stein weg war und das Grab leer. Von allein wären sie nicht auf die Idee gekommen zu behaupten, dass Jesus lebe. Zu schrecklich steckte ihnen der Schock über den Kreuzestodes Jesu in den Knochen. Einen Toten wollten sie salben und nicht einem Lebenden begegnen. – Wer hätte ihnen auch geglaubt?

Feige halte ich es nur von denen in unserer Kirche, die das Evangelium für heute ausgesucht haben; feige, weil sie den letzten Satz gestrichen haben, denSatz, der lautet: „Da verließen sie (die Frauen) das Grab und flohen; dennSchrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich.“ (Mk 168) – Gerade dieser Satz macht mir die Botschaft erst glaubwürdig.

Ja, erschrecken muss man, wenn einem eine Botschaft gesagt wird, die nicht von dieser Welt ist; eine Botschaft, die dem Tod widerspricht. Durch Mark und Bein muss es gehen, wenn uns göttliche Wirklichkeit gegenübertritt und Unglaubliches ansagt: „Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier.“ (Mk 166)

Die Frauen schauen ins Grab und erschrecken. Sie sehen einen jungen Mann in weißem Gewand. „Erschreckt nicht!“, sagt er. – Wer soll das sein, dieser junge Mann? – Wahrscheinlich kann man es nicht anders erzählen als so: Im Grab Jesu sitzt nicht Gevatter Tod, dieses Gerippe klappernder Knochen, sondern ein junger Mann, voller Leben und Jugend. Gottes Bote eben! Gottes Wirklichkeit ist eingebrochen in die Welt des Todes – und alles ist anders! Alles ist neu, jung und lebendig!

Nicht billige Vertröstung, sondern erschreckende neue Wahrheit wird uns heute verkündet: Gottes Lebensmacht ist stärker als der Tod! In Jesus hat er es wahr gemacht! Und das trifft heute schon zu.

Die Frauen fliehen, sie sagen niemandem etwas davon. – Wer allzu leichtfertig billigen Trost verströmt, der ist nicht glaubwürdig. Die Frauen sind mir gerade deshalb glaubwürdig, weil sie schweigen. Sie sind zutiefst erschüttert und er-schreckt. Sie brauchen Zeit. Erst nach und nach werden sie in Worte fassen können, was ihnen widerfahren ist: Jesus lebt. Deshalb ist der Stein weg: der Stein, der so schwer auf allen Herzen liegt. – Alles ist neu! Alles ist anders! Alles hat Zukunft!

Werden wir uns die Zeit nehmen? Werden wir über die Botschaft nachdenken? Werden wir unsere eigenen Todeserfahrungen mit dieser Botschaft konfrontieren; letztlich mit Gott und seinem Jesus? – Werden auch wir zutiefst erschrecken über die unglaublichen Möglichkeiten Gottes – auch in unserem eigenen Leben? Werden uns die Augen dafür aufgehen?

Ostern hat sich schon ereignet. Der Stein ist weg! – Werden wir es glauben, dass das auch für uns wahr ist? Dass das für alle unsere Steine gilt! Werden wir das Leben wagen?

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