Predigt zum 3. Adventssonntag 2020
Weihnachten feiern?
Nicht einmal mehr zwei Wochen bis zum Weihnachtsfest. – Werden wir feiern können? Mittlerweile scheint es mir gar nicht mehr so sicher, dass wir uns in der Kirche oder im Gutshof im Freien versammeln dürfen. Zu bedrängend ist die Lage in den Krankenhäusern. ...
Da beschäftigt mich noch eine andere Frage, und vielleicht ist es die wichtigere: Was wollen wir überhaupt feiern an Weihnachten?
Das „Fest der Liebe“, so heißt es häufig. Es ist ja auch etwas dran, wenn ich lese und höre, wie viel in diesen Tagen für die „Sternstunden“ des Bayerischen Rundfunks gespendet wurde; wie groß auch die Hilfsbereitschaft für die Schwachen unserer Gesellschaft bei der Aktion „Patenkind“ der Main-Post ist. – Ja, das Herz vieler Menschen ist angerührt, so dass sie gerne etwas von ihrem Glück und Wohlergehen mit denen teilen wollen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen. Und das ist gut so!
Noch etwas vermute ich: Wir wollen auch unsere eigene Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Beheimatung, nach Frieden im Herzen wie auch im Kreis der Familie feiern. Was in der Geschäftigkeit des Alltags und im Bemühen um Erfolg und Wohlstand oft keinen Platz hat, weil kein Raum bleibt, um Gefühle und Sehnsucht wahr sein zu lassen: das wollen wir an Weihnachten, wenigstens einmal im Jahr spüren. Auch das ist gut so! (Selbst wenn viele daran scheitern, und ihnen bei diesem Versuch ein schales Gefühl der Leere bleibt.)
Was wollen wir feiern an Weihnachten? Gibt es noch mehr zu feiern?
Johannes (der Täufer) antwortet den Abgesandten der Jerusalemer Priester:
„Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“ (Joh 126) Und weiter: „Ich bin nicht würdig, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen.“ (127) Johannes bekennt, was zuvor über ihn gesagt wurde: „Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht.“ (Joh 17)
Unerkannt ist er – und dennoch Licht, ja das Licht: Diesen einen feiern wir an Weihnachten. Dass die Dunkelheit nicht finster bleibt, dass die Trostlosigkeit, die so viele Menschen überfällt, nicht das letzte Wort hat. Dass die Ungewissheit über die Zukunft nicht für ewig gilt. Dass der Virus, der die ganze Welt in Schrecken versetzt, uns nicht für immer in seinen Fängen behält.
Dieser eine kommt von Gott, von IHM allein. Ja, er ist schon gekommen. Unerkannt, oft unbemerkt, übersehen, verkannt – aber ER ist da!
Dieser eine, der das Licht ist, hat einen Namen: Jesus von Nazaret.
Jesus von Nazaret – er hat später in der Synagoge genau auf die Worte des Propheten Jesaja Bezug genommen: „Der Geist GOTTES, des Herrn, ruht auf mir. Denn der HERR hat mich gesalbt; er hat mich gesandt, den Armen eine Frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind...“ (Jes 611) – Heute wird das wahr! Dazu bekennt sich Jesus vor den Menschen.
Diesen Jesus feiern wir als den Christus Gottes, als das Licht der Welt. Freilich: immer noch unerkannt, immer noch übersehen, immer noch unscheinbar, so dass Zweifel in uns nagen ...
Aber es gibt Zeugen für das Licht, Zeugen wie Johannes den Täufer! – Vielleicht sind es in diesen Tagen die Schwestern, die Pfleger und die Ärzte, die in den Krankenhäusern unermüdlich und oft bis an ihre Grenzen oder sogar darüber hinaus da sind und um das Leben der Kranken kämpfen. Vielleicht sind es die Kinder, die so selbstverständlich ihre Schutzmasken tragen und dabei die gute Laune nicht verlieren. Vielleicht sind es die Oberministranten, die angesichts der vielen Widrigkeiten dennoch überlegen, wie sie auf verantwortungsvolle Weise die Sternsingeraktion durchführen können. Vielleicht sind es die vielen, die ohne großes Aufhebens für andere einkaufen; die mit sorgenbeladenen Menschen telefonieren, ihnen geduldig zuhören, sie trösten ...
„Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“ Dafür bin ich Zeuge, so bekennt Johannes. Ich bin Zeuge für das Licht! – Wollen wir auch Zeugen sein?
„ER ist schon da, der das Licht der Welt ist!“ – Gegen alle Dunkelheit, gegen alle Unsicherheit und alle Angst: ER ist da, der von Gott kommt und die Welt und unser Leben in seinen Händen hält!
Damit wir das können, Zeuge für das Licht sein, in aller Dunkelheit, darum werden wir Weihnachten feiern!
Ob wir das gemeinsam in der Kirche tun, oder ob wir das hinten im Gutshof im Freien tun, oder in Rottenbauer im Gutshof neben der Kirche – wer weiß? Vielleicht tun wir es auch zu Hause im kleinen Rahmen, so wie Maria und Josef bei der Geburt ihres Kindes. Vielleicht fühlen wir uns dabei etwas fremd, ähnlich Maria und Josef in einem Viehstall ...
Ja, das würde uns schwer fallen. Es würde uns weh tun. Es würde uns etwas fehlen. – Aber es wird uns Gott nicht fehlen. Es wird uns das Licht nicht fehlen; das Licht, das nicht einmal von einem Virus ausgelöscht werden kann! Niemand wird allein sein, wenn er dieser Botschaft glaubt!
Werden wir das glauben? Werden wir dafür Zeugen sein? Wird die Botschaft von der Menschwerdung Gottes in dieser Welt sich in unseren Herzen und in unserem Tun als wahr erweisen?
Darum will ich mit den Worten des Paulus aus der heutigen Lesung für uns alle beten: „Er selbst, der Gott des Friedens, heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt.“ (1 Thess 523)
Amen.
Ihr Pfarrer Alfred Kraus